Was bedeutet „christlich“ beim Recht der Organspende?

Stellungnahme vom 13. Januar 2020

Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Abgeordneter,

wir, evangelische und katholische Christen im Verein „Gegen den Tod auf der Organ-Warteliste e.V.“ widersprechen entschieden der Auffassung, die der Rat der EKD und das Kommissariat der katholischen Bischöfe kürzlich Ihnen gegenüber in einem Brief vertreten hat.

Anders als die Kirchenvertreter unterstellen, stellt die Widerspruchsregelung keine „Pflicht zur Organspende“ dar, keine rechtliche Pflicht und auch keine moralische – und schon gar nicht im Rahmen der im Spahn‘schen Entwurf realisierten doppelten Widerspruchsregelung, bei der immer auch die Hinterbliebenen gefragt werden.

Anders als die Kirchenvertreter behaupten, steht die Widerspruchsregelung gerade nicht im Gegensatz zum „christlichen Bild des selbstbestimmten Menschen, der in Freiheit und zugleich Verantwortung vor Gott und seinen Mitmenschen über sein Leben und seinen Körper Entscheidungen zu treffen hat.“ Ganz im Gegenteil: Die Widerspruchsregelung lädt die Menschen ein, ohne Zwang und ohne negative Konsequenzen „in Freiheit und Verantwortung Entscheidungen zu treffen“.

Der Brieftext der Kirchenvertreter und der 6-seitige Anhang kommen interessanterweise ohne einen einzigen Hinweis auf eine Bibelstelle aus. Im Gegensatz dazu erlauben wir uns, die Kirchenvertreter und Sie, verehrte Abgeordnete, hinzuweisen auf Lukas 6, 31 oder auch Matthäus 7, 12. An beiden Stellen sagt Jesus in leicht unterschiedlichen Worten aber inhaltlich gleich: Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut auch ihnen.

Im Fall einer eigenen Not würden die allermeisten Bürgerinnen und Bürger es geradezu erflehen, dass sie ein postmortal gespendetes Organ erhalten. Das tut auch ihnen, sagt Jesus. Also: Seid zur eigenen Organspende nach dem Tode bereit! Die Widerspruchsregelung verlangt von den Bürgern weit weniger, als diesem Jesus-Wort entspricht. Aber sie kommt der Realisierung dessen, was Jesus anmahnt (und was weltlich der „Goldenen Regel“ entspricht), weit näher als die (nur leicht veränderte) Zustimmungsregelung.

Wir sind der Ansicht, dass die Kirchenvertreter nicht für sich reklamieren können, über eine christliche Deutungshoheit zu verfügen, die über die von „einfachen Christen“ hinausgeht. Was christlich ist, steht in der Bibel. Das tut auch ihnen ist auf die Organspende unmittelbar anwendbar. Jesus wäre für die Widerspruchsregelung.

Dr. Rigmar Osterkamp und Peter Schlauderer, Mitglieder des Vorstands


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Eine Mahnung von 1970 (!) -- leider immer noch angebracht

"Bei der Organtransplantation muss die Gesellschaft letztlich eine harte Entscheidung treffen: Vorrang für das Leben oder für Tabus?"

Jesse Dukeminier Jr.

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